Wie ein Phönix aus der Asche !
22. Juni 2022 – 21. Juli 2022
Ein unachtsamer Augenblick verwandelte meinen Toyo in ein halbes Wrack. Wie es dazu kam habe ich im meinen beiden letzten Blogbeiträgen (Teil1 und Teil2) berichtet.
Dieses Wrack wurde dann nur ein paar Kilometer vom Unfallort entfernt in die Werkstatt von Shiraz und seinen Söhnen zu Autotec Motors in Tororo geschleppt und in die enge Einfahrt direkt vor deren Wohnhaus bugsiert.
Mein Haus ist dort wo ich parke !
Da steht er nun, lädiert und traurig und harrt der Dinge die da kommen. Gottseidank ist der hintere Teil bis auf ein paar Risse an der Seite des Aufsetzdaches, wo der Gurt des Berge-Krans übergelegt war, soweit unbeschädigt, dass ich hinten in meinem Bett schlafen kann. Jeden Abend wird er mit meiner Regenplane abgedeckt. So kann es über das kaputte Dach und die geborstene Windschutzscheibe nicht reinregnen und ich habe nachts Privatsphäre, zumindest bis morgens, wenn um 8 Uhr alle Arbeiter an meinem Toyo vorbei defilieren um in den hinteren Teil der Werkstatt zu kommen.
Direkt neben mir ist eine große überdachte Terrasse, wo ich mich tagsüber aufhalten kann. Davon geht eine Art kleiner Einliegerwohnung ab, der Raum wird als Lager genutzt, hat aber ein Badezimmer mit fließendem (kalten) Wasser welches ich nutzen darf. Am vorderen Ende der Terrasse steht der Schreibtisch von Shiraz, dem Patriarchen, von dem aus er seine Truppe an Arbeitern befehligt und Besucher empfängt. Seinen Augen entgeht nichts. Oft sitzt er dort auch noch bis spät abends, da hat er wohl Ruhe vor seiner vielköpfigen Familie mit vielen Kindern😂
Schadensbegutachtung
Oh je, jetzt geht es ans Eingemachte. Noch an meinem Ankunftstag am Samstag Nachmittag wird der Toyo zerpflückt und der Schaden begutachtet. Der Zylinderkopf wird entfernt, damit sie in den Motor schauen können. 2 Zylinder sind voll mit Öl gelaufen. Bei meinem Toyotamodell befindet sich neben meinem Motor ja noch das alte System eines Ölbad-Luftfilters, dessen Öl-Inhalt sich in den Motor ergossen hat. Das Öl aus dem oberen Teil des Motor hätte man vielleicht noch entfernen können, aber leider wird hier festgestellt, dass alle 6 Zylinderhülsen meines Motors durch ausgeprägte Riefen verunstaltet sind. Die Hülsen haben normalerweise eine glatte Oberfläche, damit der Kolben in ihnen gut auf und ab gleiten kann. Über die Riefen schiebt sich aber immer mehr Öl in den Verbrennungsraum. Mein Ölverbrauch war noch im Rahmen, aber jetzt ist der Motor auf, also entschliesse ich mich auf den Rat von Shiraz hin, den Motor in Kampala überholen zu lassen.
Abgesehen von der zerbeulten linken Seite ist das Dach im vorderen Bereich sehr stark beschädigt, der Gurt des Berge-Krans hat doch sehr viel Schaden angerichtet. Die Windschutzscheibe ist ja schon beim Aufprall kaputt gegangen und auch der Dachgepäckträger hat dem Aufprall nicht standgehalten. Der Aufbau muß generell etwas verzogen sein, denn keine Tür schließt nicht mehr richtig.
Ein Alptraum für mich
Doch schaut selbst in meinem kleinen Film
Der Motor kommt raus
Gleich am nächsten Morgen wird der Motor ausgebaut, mal abgesehen davon, dass es Sonntag ist, geht es Schlag auf Schlag in der Werkstatt. In den ganzen fast 4 Wochen, die ich in der Werkstatt von Shiraz war, wurde bis auf einen islamischen Feiertag jeden Tag, sogar über das Wochenende, gearbeitet. Ich denke es hängt auch damit zusammen, dass die Arbeiter nur auf Bedarf eingestellt werden und je schneller sie einen Job erledigen können, desto schneller können sie sich wieder woanders verdingen.
Bei dem alten Mechaniker der meinen Motor mit einem Helfer ausbaut, habe ich zwar auf Grund des Alters Vertrauen, jedoch kommt er mir etwas schlampig vor, was sich zum Schluß auch bewahrheitet, als eine ganze Dose mit Schrauben und Teilchen vom Motor übrig bleibt und ich mich darum kümmern muß, dass diese wieder ordnungsgemäß verbaut werden.
Sonntag Abend ist der Motor also verladefertig und wird prompt auch am Montag früh gleich nach Kampala gefahren.
Wow, 1,5 Tage in der Werkstatt und schon so weit …
Meine Kupplung
Als der Motor draußen ist, wirft Shiraz einen Blick auf meine Kupplung und rät mir, diese dann auch gleich in Kampala neu belegen zu lassen. Bietet sich an, an meiner Kupplung ist noch nie was gemacht worden, sie war gerade neu ausgetauscht als Toyo 2003 gekauft worden ist. Ich habe eine neue Kupplungsscheibe dabei, also wird diese eingebaut und die alte zum Neubelegen mit nach Kampala geschickt.
Wie ihr im Film sehen könnt, ist auch der Kotflügel schon ausgebeult und etwas gespachtelt. Es geht also wirklich
Schlag auf Schlag
Zum ersten Mal erlebe ich was ein Karosseriebauer oder Panelbeater (Blechschläger) wie sie hier heißen wieder zurecht zimmern kann. Und Blech Schläger sind sie wirklich, daher kommt bestimmt auch der alte Spruch, dass man einen Toyota mit einem 5 kg Hammer reparieren kann.
Wie diese auf den armen Toyo einschlagen, aufstemmen und gleichzeitig zurecht drücken, mit dicken Seilen und Gurten verzogene A-Säulen wieder gerade zwingen und mit Gasflamme unter viel Rauch- und Schlackeentwicklung Risse wieder zusammen fügen und Bleche aufpflastern ist mehr als erstaunlich. Auch wird hierfür keine Flex benutzt, nein, die benötigten Ausbesserungsbleche werden aus einer alten Autotür fachgerecht mit Hammer und Meißel herausgeschlagen.
Unglaublich – Kein Elektrowerkzeug kommt zum Einsatz !
Ich frage Shiraz danach, seine Antwort: Er hätte das Werkzeug schon, aber die bestellten Panelbeater kommen mit ihren eigenen Sachen und Hilfsleuten, da bräuchte er sich nicht drum kümmern und sein Werkzeug ausleihen. Auch alle Schleif- und Spachtelarbeiten sind reine Handarbeit. Zwei halbwüchsige Jungs, bestimmt noch keine 16, kratzen, schleifen und reiben alle Unebenheiten vom alten Lack, damit darauf dann in mehreren Lagen Spachtelmasse und zum Schluß Grundierung aufgetragen werden kann.
Bald erstrahlt der Toyo in neuem Glanz
Die Karosseriearbeiten sind bestimmt nicht hochprofessionell ausgeführt worden, es wird halt afrikanisch gearbeitet. Wort und Tat im Zusammenhang mit Effizienz scheint gänzlich unbekannt. Das brachte mich schon manchmal zur Verzweiflung, aber dann sprühen wir halt nochmal drüber wenn die Reihenfolge nicht ganz stimmt.
Don’t worry Madam – we get your Toyo shiny again
Schön glänzend, das scheint ganz wichtig zu sein, ich hätte es lieber ein bisschen weniger schnell, aber dafür gründlicher. Aber ich darf nicht meckern, auch nicht bei dem Preis, den ich als festes Angebot erhielt und welches auch wie versprochen eingehalten wurde.
Es sind doch tausend kleine Schritte bis der Toyo wieder im alten Glanz dasteht. Wie Phönix aus der Asche erscheint mir seine Auferstehung. Erst recht als fast als Letztes wieder ein Zebrastreifen Muster aufgemalt wird.
Zebrastreifen in Handarbeit
Umgerechnet 40€ erhalten die 3 „Künstler“ dafür. Ein erster mit sehr zittriger Hand zieht die Umrisse und die 2 anderen malen dann mehr oder minder sorgfältig die Streifen aus. Allerdings muss ich erst mal jemand losschicken die schmalen Pinsel dafür zu besorgen, sie hätten sonst ein bisschen Schaumstoff aus alten Autopolstern zu einer Art dünnem Stempel gebunden und damit gemalt. Die billigen chinesischen Pinsel waren auch nicht viel besser, zum Schluss waren alle Borsten herausgefallen und die Schaumstoffstempel kamen wieder zu Einsatz.
Afrikanischer Einfallsreichtum ist einfach unschlagbar!
Dies alles wird fast jeden Tag begleitet vom mehr oder minder lauten Singsang einer Kirche, die sich gleich nebenan befindet. Manchmal versteht man wirklich sein eigenes Wort nicht mehr ob der Lautstärke ihrer krächzenden Lautsprecher. Aber pünktlich zum Abend kehrt eine wohltuende Stille ein und wenn die Arbeiter gegen 19 Uhr alle gegangen sind bin ich allein mit dem Toyo und meinen Gedanken.
26 Tage lebe ich in der Werkstatt
Werde vollständig integriert in das tägliche Leben dort. Mein Morgen startet mit süßem Tee, den die Straßenverkäufer vorbei bringen, danach kommt der nächste Verkäufer mit Wassermelonen Spalten. Ich kaufe immer 3 Stück für nicht ganz 1€. Ein Junge kommt vorbei und bringt hartgekochte Eier, ich versorge damit als Stärkung die Arbeiter die gerade an meinem Auto zugange sind. Kurz vor Mittag kommt eine junge Frau und bringt mir einen halben Liter dicken Smoothie, ebenso für knapp 1€ auf der Grundbasis von Avocado, verfeinert mit Mango, Ananas oder Banane, je nachdem was sie gerade auf dem Markt bekommt, dazu einen halben Liter frischen Fruchtsaft für 50 Cent. Der große und reichhaltige Markt ist nur ein paar Schritte entfernt. Ich bin aber nicht oft dort.
Am Anfang war ich noch krank
Und ich war froh, dass eher alles zu mir gebracht wurde. Ich hatte ja diese komische Virusinfektion aus Kenia mitgebracht, die sich hauptsächlich mit einer körperlichen Schwäche bemerkbar gemacht hatte. 2 Wochen lang konnte ich nicht mal meine Bettplatte hochheben, musste jedesmal um Hilfe bitten. Aus dem nahmen somalischen Restaurant brachte mir jemand regelmäßig die besten Samosas (gefüllte Teigtaschen) mit würzigem Rindfleisch und Gemüse. Und am Abend wurde ich oft versorgt mit kleinen Leckereien der Familie von Shiraz, die im ersten Stock über der Werkstatt auf dem Balkon über mir kochten.
Schaut mal meinen letzten kleinen Film und lernt auch Pat und Marjan kennen, die mir schon in Nairobi einen Freundschaftsdienst geleistet hatten und mich nun wieder in Uganda besucht haben.
Moralischer Beistand von Reisefreunden
ist der größte Gewinn auf Reisen. Menschen, die ähnliche oder andere schwierige Situation durchlebt und überstanden haben, können ganz viel Ermutigung und Zuspruch geben und einen damit auf aufrichten.
Ganz besonders intensiv erlebe ich deshalb den Besuch von Ralf von Two on Tour am Anfang und von Pat und Marjan von Potjie2Pint als der Toyo zum ersten Mal seine orange Farbe wieder bekam. Aber auch der vielfältige und ermutigende Beistand meiner Social Media Community hält mich in dieser Zeit aufrecht. Nie hätte ich mir gedacht, dass die virtuellen Freundschaften soviel zu geben hätten als ich vor 10 Jahren meine Facebook Präsenz startete.
Nicht zu vergessen natürlich die Menschen, die man bei solchen Gelegenheiten kennenlernt und die Hilfe die ich so vielfältig bekommen habe. Shiraz bietet mir eine Familie in Tororo an und auch Maria von der Polizeistation in Malaba schreibt mir noch heute und erkundigt sich nach meinem Befinden.
2 Fehler habe ich allerdings gemacht
Ich bin eigentlich ein Perfektionist und möchte für den Toyo einfach alles gut machen, damit ich unbeschwert reisen kann. Dieser Perfektionismus stellt mir aber auch ein Bein und lehrt mich nicht alles immer so genau zu nehmen.
Vielleicht erinnert Ihr Euch noch an meinen kaputte vordere Antriebswelle (Driveshaft), die mir mein Stranderlebnis bei Malindi so vereitelt hat. Die linke Seite war glatt abgedreht, ich hatte das Ersatzteil aber dabei und es wurde später eingebaut. Nun möchte ich bei Shiraz sicher machen, dass auch meine rechte Seite in Ordnung ist und ggf austauschen falls nötig. Der alte (schlampige) Mechaniker öffnet also meine Achse rechts, stellt fest, es ist alles in Ordnung und baut alles wieder zusammen. Und … setzt leider die alten Dichtringe wieder ein. Was daraus wurde kommt dann in einem der nächsten Beiträge.
Dann 2.! Schon lange leckt mein Lenkungsgehäuse (Stearingbox), nicht sehr viel, aber ich muß immer drauf achten und Hydraulikflüssigkeit nachfüllen. Ich habe den Überholsatz für Gehäuse und Lenkungspumpe dabei. Also bitte ich Shiraz, beides ausbauen zu lassen und nach Kampala zum Überholen zu schicken. Es gibt nur einen Mechaniker in Kampala, der noch Lenkungsgehäuse und Lenkungspumpe überholen würde. Mein Mechaniker in Tansania hat mir immer geraten, die Finger davon zu lassen und einfach weiter nachzufüllen.
Aber … Lilli die Perfektionistin
Also kommen beide Teile raus. Nach dem Ausbau schaut sich Shiraz die Teile an und beschließt: Nein, die Lenkungspumpe ist vollkommen dicht, die bauen wir wieder ein …
Das war ein grober Fehler
Nach dem Wiedereinbau von überholtem Gehäuse und nicht angefasster Pumpe ist das Gehäuse zwar wunderbar dicht – Teilerfolg ! – aber nun leckt die Pumpe und zwar nicht wenig sondern massiv. Sie versuchen alles Mögliche, bekommen die Pumpe aber nie ganz dicht und ich ärgere mich seither mit der leckenden Lenkungspumpe herum. Wie mich das noch beeinträchtigen wird, kommt dann auch in den nächsten Beiträgen.
Was lernt man daraus?
Never touch a running system
Nur Lilli, die Perfektionistin, die natürlich diesen Satz schon tausend mal gehört hat, aber angstgesteuert alles gut machen will, denn es gibt ja „nur 1 Spezialisten“ im ganzen Land … fällt damit wieder einmal auf die Nase.
Frau und Technik … ein ganz eigenes Kapitel
Glück im Unglück
hat dem Toyo aber zumindest eine neue Lackierung beschert, die ich mir, so muss ich zugeben, schon lange gewünscht habe, sie mir aber immer zu teuer war und ich lieber das Geld in andere Reparaturen des Toyo gesteckt habe.
So bin ich nun wirklich glücklich, dass der Toyo zumindest von außen gut aussieht und ich endlich in Uganda weiterfahren kann.
Und noch ein Riesenerfolg
der Karosseriearebeiten am Toyo. Seit alle meine Türen gerichtet sind, habe ich bei Regen keinen Wassereinbruch mehr im Toyo. Bis dato waren alle meine 4 Türen undicht, besonders bei der Fahrertür kam sehr viel Wasser rein. Je nach Windrichtung und Stärke des Regens saß ich dort während der Fahrt wie unter einem Wasserfall. Ist ja nicht so schlimm, denn der Regen ist meistens warm in Afrika, aber unangenehm ist es trotzdem. In der Regenzeit musste ich über Nacht immer hinter allen Türen großflächig Mülltüten auslegen, damit das Zeug darunter nicht durchnäßt wurde und das Wasser durch die Löcher im Boden abfließen konnte.
😂
Lacht nicht! -oder doch! – Toyo ist halt ein altes Auto. Aber wenn ich schon früher auf die Idee gekommen wäre, mal einen Panelbeater an meine Türen zu lassen, dann hätte ich mir viel Mühe erspart. Jetzt sind alle Türen dicht.
Aber so ist das Reiseleben – man lernt nie aus!
Leider folgt noch eine kleine Werkstatt Odyssee. Davon werde ich in meinem nächsten Beitrag berichten.
Für diejenigen die keine Geduld für meine Werkstattgeschichten haben, rate ich deshalb schon heute, überspringt einfach die nächste Zeit und hofft auf bessere Afrika-Abenteuer von Lilli, die mit ihrem 34 Jahre alten Toyota Landcruiser scheinbar von Werkstatt zu Werkstatt in Afrika tourt.
Alles Liebe für Euch auf all Euren Wegen …
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