1 Sekunde verändert meine Reise !
Mittwoch, der 22. Juni 2022 –
Eigentlich krank und nicht wirklich in Form machte ich mich auf den Weg einen Grenzübergang in Afrika anzugehen.
Dazu noch einen Hauptgrenzübergang mit all den kommerziellen LKW Abfertigungen. Meine Beweggründe dafür habe ich ja in meinem vorhergehenden Beitrag geschildert.
Große Grenzübergänge in Afrika sind nie eine gute Idee.
Aber es spricht auch nicht wirklich etwas dagegen wenn man mental und auch sonst gut vorbereitet ist.
Endlich alles geschafft – es kann weiter gehen – Uganda ich komme …
Oh, es ist schon spät, lass mich mal eben grade zur Seite auf einen LKW Parkplatz fahren um mein Navi auf die nächstgelegene Campingmöglichkeit einzustellen.
Und dann passiert das Unglück
Nur eine Falscheinschätzung
Während ich an einer elend langen Schlange von entgegen kommenden LKWs entlangfahre, sehe ich einen zerfurchten LKW Parkplatz neben mir. Der Toyo hat eine lange Haube, ich hätte mich weit vorbeugen müssen, um den Abbruch direkt vor mir zu sehen.
So entscheide ich mich eine Sekunde zu spät links ran zu fahren und komme auf eine zu starke Schräge. Bevor mir das klar ist, neigt sich der Toyo auch schon im Zeitlupentempo nach links und fällt einfach auf die Seite.
Oh Gott und auch noch in eine Pfütze!
Gut, dass ich angeschnallt bin, direkt hinter Grenzübergängen wartet oft eine notorische Polizeikontrolle, die im neuen Land gleich die vermeintlichen Vergehen ahndet. So falle ich nur nach links in den Gurt.
Daraus kann ich mich aber nicht allein befreien, zu viel Druck liegt auf dem Gurt. Lange muß ich nicht um Hilfe rufen, da reißt auch schon einer fast die Fahrertür aus den Scharnieren und steigt zu mir ins Auto, um den Gurt zu lösen und mir aus dem Auto zu helfen.
Ein Spektakel für die Umstehenden
Jetzt geht natürlich ein großes Palaver los. Man möchte einen der in der Schlange stehenden LKWs bitten mich aufzurichten. Großspurig sammeln sich auch gleich ein paar kräftige Burschen und versuchen den Wagen aufzurichten.
Hau Ruck – aber es funktioniert nicht
Zu stark ist die Neigung gegen die mein schwerer Wagen hätte aufgestellt werden müssen. Ein Zuschauer kommt auf mich zu und rät mir die Polizei zu verständigen. Das wären keine guten Leute hier, ich sollte sehr vorsichtig sein. Da ich noch keine ugandische Telefonnummer habe und mein Telefon mit der kenianischen auch tief im Toyo liegt, bitte ich ihn, doch die Polizei zu verständigen.
Das macht er dann und übernimmt es auch, 2 meiner Telefone (mein Navi und meinen digitalen Tacho), die sichtbar im Wagen liegen herauszuholen und mir zu geben. Meine anderen beiden Telefone, besonders das mit WhatsApp und mein mobiler Router sind mit meiner Tasche unter dem Kühlschrank verschwunden, der jetzt auf dem Seitenfenster liegt.
Wie geht es mir ?
Im Grunde genommen bin ich wie betäubt, kann es immer noch nicht fassen, dass mein Zuhause da auf der Seite in einer Pfütze liegt und eine große Menschenmasse drum rum lautstark Ratschläge gibt und doch weiß keiner so richtig was eigentlich zu tun wäre.
Ich bin einfach nur müde und verwirrt, kann keinen klaren Gedanken fassen.
Gottseidank treffen nach kurzer Zeit 2 Polizisten auf einem Boda-Boda (die kommerziellen Motorradtaxis) ein und nehme sich der Sache an. Zuerst natürlich die Frage wer den Unfall verursacht hätte. Hat mich jemand von der Strasse gedrängt etc. Als klar ist, dass niemand ausser mir und meinem Fahrzeug zu Schaden gekommen ist, nimmt das Geschehen seinen Lauf.
Ein Abschleppwagen mit Kran soll gerufen werden
Bis dieser eintrifft vergehen aber fast 2 Stunden. 2 Stunden in denen ich immer noch wie betäubt inzwischen frierend auf einem Stein am Strassenrand sitze. Einer der Polizisten fragt ob ich irgendetwas brauche, ich sage ich würde gerne etwas trinken. Er schickt einen der Umstehenden los mir eine Flasche Wasser und 2 Hefebrötchen (Mandazi) zu holen. Danach holt er meinen Kühlschrank aus dem Wagen, ich denke aber nicht daran ihm zu sagen, er soll auch meine Handtasche aus dem Wagen bergen.
Warum – ich weiß es bis heute nicht.
Endlich trifft der Wagen mit dem Kran ein. Was ? Nur ein Fahrer, keine Hilfsleute !
Sofort drängen sich wieder Umherstehende zur Hilfe in den Vordergrund. Der Gurt wird gelegt, unter dem Wagen durch und übers Dach und schon ruckelt der Kran los und der Toyo kommt langsam wieder auf die Räder. Immer noch sehr schief, aber irgendwie schaffen sie es ihn einigermaßen so aufzustellen, dass sie ihn auf eine geradere Fläche schieben können.
Einen kleinen Eindruck von diesen Geschehnissen habe ich in Bild und Video festgehalten, noch gruselt es mich jedesmal wenn ich mir selber diese kurzen Sequenzen aus der Dashcam, die brav alles aufgezeichnet hat, anschaue.
Endlich steht der Toyo wieder gerade auf seinen Rädern.
Aus der zerborstenen Windschutzscheibe fallen etliche Gegenstände, die vorher auf der Ablage lagen aus dem Wagen in die Pfütze. Niemand holt sie heraus und als ich ein paar Minuten später danach frage, ist absolut nichts mehr zu finden.
Die Diebe waren schnell …
Jetzt fällt mir auch auf, dass alle 10 meiner kleinen 5 l Kanister, die vorher auf dem Dach waren, natürlich voll mit Diesel, verschwunden sind. Keiner hat etwas gesehen. In Uganda ist der Sprit viel teurer als in Kenia, da waren die 50l schon ein riesen Schnäppchen! Was für ein Frust noch oben drauf …
Der Kranwagenfahrer will fertig werden und sagt, ich soll versuchen den Wagen anzulassen um ggf selbst damit zur Polizeistation zu fahren.
Wie dumm kann man sein!
Natürlich habe ich schon mal gehört, dass man den Motor nach einem Wasserschlag oder nach einem Umkippen nicht gleich anwerfen darf. Ich weiß aber auch nicht, ob ich, wenn ich mein WhatsApp Telefon bei mir gehabt hätte, jemand von meinen Toyota Freunden um ihren Rat angerufen hätte.
Ist das der Schockzustand – muss es wohl sein – ich bin jedenfalls nicht ich selbst !
Der arme Toyo Motor gibt beim Startversuch nur ein lautes krachendes Geräusch von sich und ich breche das Anlassen sofort ab. Hinterher kann ich mich auch nicht mehr erinnern, ob der Wagen nach dem Umkippen selbst ausgegangen ist, oder ob ich ihn abgestellt habe.
Der Wagen muß also abgeschleppt werden. Es geht zur Polizeistation von Malaba, der Ort, der durch die Grenze in einen kenianischen und einen ugandischen Teil getrennt wird. Voller Furcht sitze ich hinter dem Steuer, hänge hilflos an dem kurzen Abschleppgurt des Berge-LKWs und versuche ohne Bremskraftverstärker auf dem rumpelnden Weg neben der Strasse vorbei an der langen LKW Schlange diesem nicht hinten drauf zu knallen.
Angekommen auf der Polizeistation in Malaba wird der Toyo nahe an eine Wand geschoben. Ich schaffe es gerade noch, dass mir jemand hilft, meine Regenplane vom Dach nach vorne über die halb herausstehende Windschutzscheibe zu ziehen, damit bei einem evtl Regenguss das Wasser nicht in den Wagen läuft.
Jetzt gehen die Verhandlungen los
Der Abschlepper will Geld sehen und natürlich auch die unfreiwillig rekrutierten 3 Helfer. Diese will ich zuerst abfertigen und los werden. Schon hier lerne ich Maria kennen, die Leiterin der Verkehrspolizei, die mir während meiner Tage auf der Polizeistation sehr viel Unterstützung hat zukommen lassen. Auch sie rät mir vorsichtig zu sein, das wären keine Leute denen man vertrauen kann. Es sind Haie, die sich am Unglück anderer bereichern.
Der von ihnen geforderte Betrag ist natürlich unrealistisch hoch und ich drücke sie auf ein für mich akzeptables Maß herunter. Jetzt kommt der offizielle Abschlepper dran. Er verlangt umgerechnet ca 90€ für die ganze Aktion. Das erscheint mir auch zu viel und nach langem Verhandeln läßt er sich auf 65€ ein.
Ein kleiner unaufmerksamer Augenblick genügt
Und während ich aus meinem Geldbeutel etwas abseits den Abschlepper auszahle, muß einer der „Helfer“ es geschafft haben unter den Augen aller umstehenden Polizisten das ganze gerade noch zusätzlich aus dem Geldautomaten gezogene Geld aus meiner auf dem Toyo liegenden Handtasche zu entwenden. Gerade war es noch da, völlig naß, da die Handtasche im Schlamm lag, als ich die Scheine am nächsten Tag trocknen möchte, sind sie aus der Tasche verschwunden. 257€ mal eben geklaut.
Ein Unglück kommt selten allein
Zum Glück ist mir dies erst am nächsten Tag aufgefallen. An diesem Abend hab ich es nur noch geschafft den Toyo mit Hilfe der anwesenden Polizisten auszuräumen, mein Bett zu machen, im Quartier der weiblichen Polizisten zur Toilette zu gehen und mich anschließend völlig zerschlagen in den Toyo zurückzuziehen.
Ich glaube ich hab kein Auge zugetan – oder hab ich doch vor Erschöpfung geschlafen.
Ich weiß nur noch, dass mir tausende von Gedanken durch den Kopf gingen. Das Gedankenkarusell – Was wird sein? – Wie wird es weiter gehen? – Wie stark ist der Toyo beschädigt? – Kann er noch gerettet werden? – oder ist dies das Ende meiner Reise bevor sie noch nicht mal richtig angefangen hat – und die Schmerzen, die alten im Rücken und die neuen von den Gurtprellungen bescherten mir eine der schlechtesten Nächte meines Lebens.
Doch am nächsten Morgen ging die Sonne wieder auf
Von allen anwesenden Polizisten und Polizistinnen schlug mir soviel Freundlichkeit, Anteilnahme und Hilfsbereitschaft entgegen. Mir wurde frischer süßer Tee gekocht und ich wurde mit Mandazis gefüttert. Mein Auto wurde vorne von den Hausmädchen der Polizistinnen ausgeräumt, alles vom Schlamm befreit und alle verschlammte Wäsche gewaschen. Der Polizeibericht wurde erst dann verfasst als ich mich dazu in der Lage fand und schlussendlich empfahl mir Maria den Mechaniker, der für die dortige Feuerwehr den alten Löschwagen reparierte. Dieser uralte rote LKW stand hinter meinem Toyo und ich wusste instinktiv
Wer so eine alte Kiste fahrbereit halten kann, kann auch meinen Toyo wieder in Schuss bringen.
So wurde Shiraz angerufen und er kam dann auch kurze Zeit später mit seinem Sohn Mohammed um den Schaden zu begutachten. Ich fasste sofort Vertrauen zu ihm und es wurde abgemacht, dass der Toyo 2 Tage später in seine Werkstatt geschleppt werden sollte.
Im nachfolgenden Filmchen seht Ihr ein bisschen was zu dieser Abschleppaktion.
Die Hilfe von Reisefreunden
Was mich besonders gefreut hat, war die spontane Nachricht mich zu besuchen von Ralf, einem Reisefreund, den ich in Kenia kennengelernt hatte. Ich muss zugeben ich brauchte doch etwas mentalen Beistand in dieser für mich so schwierigen Situation. So machte sich Ralf, der ein paar hundert Kilometer entfernt auf einer Insel im Viktoria See weilte, sofort nachdem er von meinem Unfall gehört hatte, auf, um mir dort an der Grenze beizustehen, mental, moralisch und auch praktisch, indem er mich mit seinem köstlichen Müsli am Morgen und mit Tschapati (Mehlfladen) oder Rolex, eine ugandische Spezialität aus einem in einen Tschapati eingerolltes Gemüseomlet, versorgte. Zusammen gingen wir einkaufen und ich besorgte mir eine ugandische SIM-Karte und Datenvolumen.
Auch Ralf fasste sofort Vertrauen zu Shiraz und seiner bedächtigen und erfahrenen Art und bestärkte mich in dem Gefühl, bei ihm in seiner Werkstatt in guten Händen zu sein, zumal diese in Tororo, nur knapp 20 km entfernt von Malaba, der Grenzstatt und meinem Unfallort entfernt ist. Andernfalls bekam ich auch einige Kontakte aus Kampala, der über 200 km entfernen Hauptstadt Ugandas. Dorthin hätte ich meinen lädierten Toyo auf einem Autotransporter fahren lassen müssen, was sicherlich mit erheblichen zusätzlichen Kosten verbunden gewesen wäre.
Ein weiteres Wunder wartet auf mich
Als ich von meinem Unfall auf Facebook und in den sozialen Medien berichtete, riet mir sofort einer der ersten Leser meines Unglücks dazu, meine PayPal Verbindung zu veröffentlichen, damit ich finanzielle Unterstützung bekäme.
Nie im Leben hätte ich für möglich gehalten, welche Welle von Spenden und Unterstützung von meinen Freunden, Fans und Followern auf mich zu kam. Allein in den ersten 24 Stunden hatte ich bereits über 2000€ auf meinem Paypal Konto und im Laufe der nächsten Tage erhöhte sich dieser Betrag bis auf 9000€.
Wow, wow, wow
Ich kann gar nicht sagen wie überwältigt ich von dieser finanziellen Hilfsbereitschaft war. Jetzt konnte ich getrost im Vertrauen auf die Ehrlichkeit von Shiraz und seiner Mannschaft die Wiederherstellung des Toyos angehen. Klar waren in dieser Spendenaktion einige größere Spender dabei, aber auch jeder noch so kleine Betrag half und im Endeffekt summierte es sich auf diese für mich unvorstellbare Summe auf.
Und wie es mit der Reparatur des Toyos und meinem Aufenthalt in Shiraz’ Werkstatt weiterging, verrate ich Euch im meinem nächsten Blogbeitrag. Bleibt mir und dem Toyo gewogen, wie es scheint, warten doch noch viele weitere Abenteuer in Afrika auf uns.
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