Das Galana River Schulprojekt
von Birgit und Markus Dietz –
Ich wollte doch nur ein Foto machen …
Zum ersten Mal auf der Strecke von Malindi in Richtung Tsavo East Nationalpark und das Landesinnere von Kenia zeigt sich mir der Galana River in der weiten Ebene unter mir. Aber kaum halte ich auf der Kuppe an, kommen schon von allen Seiten Leute und Kinder die mir ihre Feldprodukte verkaufen wollen. Bananen und Zuckerrohr sind heute im Angebot. So wird das geplante Landschaftsfoto für meinen Reisetracker Polarsteps eher eine Studie der verschiedensten Gesichter, die sich an meinem offenen Fenster drängen.
Ich bin auf dem Weg
Habe mich endlich von der Küste verabschiedet und fahre nun Richtung Landesinnere. Markus Dietz, den ich schon einmal in Namibia getroffen hatte und der fast den gleichen Toyotatyp wie ich fährt, hatte mich zu meinem Allradproblem auf Facebook angeschrieben und mich eingeladen, doch bei ihm und seinem Projekt nicht weit von Eingang des Tsavo East Nationalparks vorbeizuschauen. Ich wusste zwar noch, dass sein Projekt in Kenia liegt, wähnte es aber viel weiter entfernt von meiner Route.
So nehme ich die Einladung gerne an, zumal er sich anbietet, nochmal auf meinen Allrad zu schauen und mich von einem Treffpunkt an der Teerstrasse zum Tsavo abzuholen. Bei einem neuen Brückenbau in der Nähe von Baolala durchqueren wir den Galana River und bepackt mit einigen Zuckerrohrstagen für die Kinder geht es auf teilweise sehr ausgewaschener Piste weiter bis in das kleine Dörfchen Mwanza und seinem Projekt.
Das Galana River Schulprojekt
Markus und seine Frau Birgit sind wie ich alte Overlander und Afrikafans. Vor Jahren fanden sie auf einer ihrer Entdeckungsfahrten im Hinterland von Kenia einen Hügel mit einem wunderbaren Blick auf den breiten Galana River. Sie machten ein Päuschen und kamen mit den dortigen Bewohnern aus dem Stamm der Giriama in Kontakt. Aus dieser ersten Annäherung erwuchs dann ein regelmäßiges Wiederkommen zu diesem schönen Plätzchen und schlußendlich der Entschluss diese kleine Gemeinde dort zu unterstützen.
Viel hat sich getan in den folgenden Jahren, sie konnten auch ein Stück Land erwerben und sich dort ein kleines einfaches Häuschen bauen. Und hier stehe ich nun auf dem Hof zwischen Toilettenhütte und dem Gästezimmer/Lageraum. Die neugepflanzten Bäume sind noch zu klein um Schatten zu spenden, wie so oft in Afrika wurde um die Ansiedlung herum alles abgeholzt.
Aber von ihrer Terrasse aus hat man einen wunderbaren Blick hinunter auf den Fluß, mittlerweile ist ein Brunnen gebohrt, der zwar zur Zeit noch salzig ist, sich aber mit ausreichendem Durchfluß hoffentlich bald verdünnen und entsalzen wird.
Rettungsdienst im Busch
Markus ist ausgebildeter Rettungssanitäter und so schlüpfte er sehr schnell in die Rolle der einzigen medizinisch versierten Person im Umkreis von vielen Kilometern. Immer wieder wird er zu teilweise dramatischen Situationen gerufen um weitab jeglicher Versorgung medizinische Nothilfe zu leisten.
So auch bei Argur Adhan, einem 16 Mädchen aus dem Stamm der Omar, die über einen straff gespannten Eselstrick gefallen ist, als dieser wegrannte. Sie blieb zurück mit einem offenen Oberschenkelbruch und lag 3-4 Wochen mit dieser schweren Verletzung irgendwo im Busch in einer Siedlung dieser kuschitischen Viehnomaden, die vor langer Zeit aus Somalia hier in diese nicht landwirtschaftlich nutzbare Dornbuschsavanne eingewandert sind. Entlang des Flusses, wo noch mit Bewässerung Landwirtschaft betrieben werden kann, teilen sich die Ormar dieses Land mit den Stamm der Giriama, die als Bauern in Flussnähe unsichere Feldwirtschaft betreiben.
Erst als das Fieber kam …
wurde Markus zu Hilfe gerufen. Dank der Spender in Deutschland konnte eine OP im stattlichen Krankenhaus mit notwendigen Medikamenten, orthopädischen Schienen und Schrauben bezahlt werden. Nun lag Argur im neuerrichteten Gästehaus, 2 Frauen aus dem Dorf wurden zu ihrer Versorgung angestellt und ihre Wunde musste täglich versorgt werden. Das konnte ich hautnah mitverfolgen und hab für Euch folgendes Filmchen zusammengestellt.
Edwin ein Medizinstudent, der aus dieser Umgebung stammt, wird ebenfalls von dem Verein in Deutschland gesponsert und kann sich tatkräftig einbringen. Als zukünftiger Arzt möchte er weiterhin in seinem Heimatdorf tätig sein.
Am Nachmittag geht es auf Krankenbesuch
Markus möchte mich in eine Ormar-Siedlung mitnehmen. Ungefähr eine halbe Stunde Fahrt entfernt lebt Ali, dessen Oberschenkelknochen sich sehr wahrscheinlich durch einen Knochenkrebs auflöst. Noch hat er keine Schmerzen, aber die Krankheit schreitet voran. Hilfe ist eigentlich nicht möglich, aber Markus schaut regelmäßig nach ihm.
Das Dorf ist eine für uns trostlose Ansammlung von Lehmhütten, dafür sind die Ormar Frauen umso farbenprächtiger gekleidet. Sie sind sehr scheu, drehen sich von der Kamera weg. Nur eine läßt sich fotografieren und siehe da, 2 kleine Mädchen wollen auch mit auf das Bild.
Kaum sind wir im Dorf wird Markus schon in eine nahegelegene Hütte gerufen. Ali geht es soweit gut und ist nun erstmal nebensächlich.
Sie hätte diese Nacht nicht überlebt!
So zumindest die Aussage von Markus. Vor uns in der dunklen Hütte liegt stöhnend eine völlig ausgemergelte Frau mittleren Alters mir sehr hohem Fieber auf dem blanken Lehmboden. Markus tippt auf eine Windpocken Infektion. Er setzt ihr sofort eine Infusion um ihren Flüssigkeitshaushalt zu stabilisieren und verabreicht ein stark fiebersenkendes Medikament. Edwin wird hinzu gerufen und überwacht die 2. Infusion.
Am nächsten Morgen geht es ihr etwas besser, Edwin besorgt aus dem nächstgelegenen Krankenhaus Medikamente und am Abend hören wir, dass sie sich soweit erholt hat und bereits wieder isst und trinkt.
Hinterher fragt mich Markus warum ich nicht mit Fotos oder Videos dokumentiert hätte, wie es hier mit der Gesundheitsversorgung abläuft. Der Vater von Ali, der gleichzeitig dieser kleinen Ansiedlung vorsteht, hätte ihn nicht gerufen. Wenn er nicht heute mit mir zu Besuch zufällig hier vorbei gekommen wäre … ? Diese Menschen haben kein Geld einen Arzt zu bezahlen, bzw den Transport in ein Krankenhaus. So gehört das Sterben zum Leben und wird als Schicksal hingenommen.
Ich fand es pietätlos, die nach Aussage Markus‘ sterbende Frau zu fotografieren. Empfand es als ein Eindringen in die Privatspäre dieser schwer kranken Frau, die nicht eimal ihr Einverständnis hätte geben können, hatte ich doch vorher schon festgestellt, wie scheu diese Menschen gegenüber Fremden waren.
So begnügte ich mich mit Handreichungen und kann hier nur die Geschichte wiedergeben.
All ihr Wasser kommt aus dem Fluß
Die Ormar sind als Nomaden auf den Galana River zur Wasserversorgung angewiesen. Er führt ganzjährig Wasser, aber die Regenzeit ist überfällig, der Wasserstand sehr niedrig und das Wasser ist stark veralgt. Trotzdem muss es täglich in die Ansiedlungen geschafft werden. Das ist Aufgabe der Frauen und Mädchen, die mit Hilfe von genügsamen Eseln und einem ausgeklügelten Roll-Transportsystem das lebensnotwendige Nass in ihre Ansiedlungen bringen.
Fahrende Händler bringen Haushaltswaren
Ein über und über beladenes Motorrad fährt auf den Hof und der Fahrer preist seine mitgebrachten Waren an. Diese Händler findet man überall, auch in den abgelegenen Ansiedlungen, wo sie versuchen Waren des täglichen Bedarfs an die Frau zu bringen. Ja es sind die Frauen, die für die Familieneinkäufe verantwortlich sind.
Wie gut, dass Birgit gerade Bettwäsche für Besuch aus Deutschland braucht und ich finde eine große geflochtene Plastikmatte die farblich perfekt zum Toyo passen würde. Mit viel Lachen und natürlich handeln tätigen wir unsere Einkäufe.
Nachmittags Spaziergang mit Anhang
Ich möchte gerne einen kleinen Abendspaziergang machen. Birgit kommt mit. Aber das geht natürlich nicht ohne Anhang und so begleiten uns alle Kinder aus dem Dorf hinunter zum Fluß um ein Stückchen am Ufer entlang zu laufen.
Für die Kinder ist natürlich jede Abwechslung eine Attraktion, erst recht wenn ein Muzungu Besucher dabei ist. Sie sind in ihrem Aktivitätsdrang kaum zu bremsen.
Aus einem besinnlichen Spaziergang wird so eher eine Spiel-, Spaß- und Gesangs-Unternehmung, die Ihr in den folgenden 3 Filmen gerne miterleben könnt.
Eine herrliche Sonnenuntergangs-Stimmung am Fluß
läutet wieder einen netten Abend mit interessanten Gesprächen ein. So sitzen wir noch lange draussen auf der Terrasse in der jetzt kühleren Nachtluft und geniessen die afrikanische Nacht.
„Auf einmal ist man involviert“
Und wie komme ich nun auf diesen Titel für meinen Blogbeitrag?
Ich habe schon einige Afrikafahrer getroffen, die irgendwo in Afrika hängengeblieben sind und für sich eine Aufgabe gefunden haben. Es sind oft kleine Begebenheiten die eine Kette von Möglichkeiten auslösen können und dann ist man ganz schnell mitten drin.
Birgit und Markus haben hier am Galana River im kleinen Dörfchen Mwanza mitten im Busch von Kenias Dornbuschsavanne ihre Aufgabe gefunden. Aus einem kleinen Anfang erwuchs ein immer größeres Unterfangen. Sie starteten damit eine Schule zu bauen, heute erweitern und verbessern sie die Schule im Dorf, legten am Fluß einen Gemeindegarten an und wollen eine kleine dringend benötigte Gesundheitsstation aufbauen.
Birgit beschäftigt und fördert die Kinder der Gemeinde und Markus ist Bauleiter und der Retter in der Not. Schaut doch einfach mal vorbei auf ihrer Internetseite oder auf ihrer Facebook Seite und Gruppe.
Jede Spende ist willkommen und Ihr könnt Euch ganz individuell für Euer Interessensgebiet engaschieren, sei es nun für die Bildung, die am Anfang aller Veränderungen steht, die ausgewogene Ernährung oder das Gesundheitswesen.
Noch ein kleiner Film zum Schluß zum Herzerwärmen, auch wenn er sehr traurig ist. Abonniert auch gerne den YouTube Kanal des Galana River Schulprojektes, denn nur mit vielen Abonnenten können sie Werbeeinnahmen generieren.
Ich möchte an dieser Stelle einfach DANKE sagen für die schöne Zeit bei Birgit und Markus und die vielen tollen Eindrücke und Einblicke die mir gewährt worden sind.
Mit Sicherheit komme ich irgendwann mal wieder …
Und für Euch meine lieben Leser geht es bald weiter mit Safari und wilden Tieren im Tsavo East Nationalpark …
PS: und noch was zu meinem Problem mit meinem Vierradantrieb. Markus konnte auch nur feststellen, dass alles ordnungsgemäß einrastet aber dort bei ihm im Busch war es schwierig weiter zu forschen. Ich muß es also weiter im Auge behalten.
Sag mal, Lilli, wie nimmst du alles, was du jetzt in deinen Berichten schilderst, auf? Da ist so vieles dabei, was Hilfe förmlich herausfordert, was einem Gedanken macht über die Zeit hinaus, die du in der Nähe dieser kleinen Dorfgemeinschaft verbringst. Steigt man, Markus und Birgit und auch dich ansprechend, soweit in die Denkweise und das Leben seiner Nachbarn ein, das man sein europäisch geprägtes Hirn ausblendet und ein afrikanisch schwierigeres Leben liebt?
Es ist schön zu sehen, dass die Kinder so vergnügt sind . Mit Bruder Jakob kommt man wohl auf der ganzen Welt mit wechselndem Text mit Kindern in Kontakt.
Liebe Grüße und …
May God always hold you in the palm of his hand (normalerweise halte ich nix von Sprüchen, aber den mochte ich schon sehr früh in meinem Leben).
Liebe Marianne
Du hast recht, ich lerne auf meinen Reisen ganz viele Projekte kennen und es begeistert mich, mit welchem Mut und auch Ausdauer Leute hier ganz persönlich und im kleinen Rahmen etwas bewerkstelligen. Dass ich das auf meine Weise in die Öffentlichkeit bringen wollte ist auch ein Grund für meinen Blog. Und grade die Projekte, die ich persönlich kennengelernt habe, kann ich dann auch mit vollem Herzen weiter empfehlen, weil ich weiß, hier wird wirklich etwas erreicht und die Welt ein kleines Stückchen besser gemacht.
Und dein anderer Gesichtspunkt trifft glaube ich weltweit und auf alle Reisenden zu, nicht nur in Afrika. Warum machen wie uns auf die Reise, sicherlich auch um andere Lebensentwürfe und Lebensweisen kennenzulernen. Und dass dabei die Umstände manchmal schwierig sind, liegt in der Natur der Sache. Dass das Leben für ein Kind was in ein kleines Dorf in Afrika oder Indien oder Lateinamerika hineingeboren wird, einfach einen anderen Ausgangspunkt hat, als ein Kind in einer wohl situierten und behüteten Gemeinschaft in Europa oder Amerika dürfte jedem klar sein. Und ich denke wir blenden unser europäisch geprägtes Hirn nicht aus, sondern aktivieren nur noch zusätzliche Nervenbahnen, um mit unserem „Grundstock“ evtl kleine Veränderungen herbeizuführen.
Einfach deshalb berichte ich gerne über Menschen, die mich inspirieren und hab dies ja auch bewußt als „Begegnungen“ und „Inspiration“ in meinen Blog herausgestellt.
Mir geht es auf meinen Reisen nicht mehr um das Abhaken von Strecken, schönen Orten oder speziellen Erlebnissen, sondern grade um die Geschichten die hinter den vordergründigen schönen Bildern stehen.
Danke dass ich Dir damit in Dein Herz treffe.
Gleißend sonnige Grüße vom Strand in Kenia
Lilli
Liebe Lilli, wieder ein schöner und sehr eindrucksvoller Bericht! Leben und Tod sind auch in Europa oft nah beieinander. Schön sind Deine Fotos und auch Videos! Gefällt mir sehr gut.
Liebe Grüße aus Volkach! Bleib gesund! 🍀
Marcella
Vielen Dank Marcella
Ja, hier in Afrika ist nur die Hilfe oft so weit weg.
Liebste Grüße
Lilli